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(4) Ostern – erstes Auftauchen in der Kunst

9. April 2020

Im Hinblick auf das bevorstehende Osterfest

                                                                                                       möchte ich heute mit Euch ein Werk der altchristlichen Kunst betrachten.

Dazu eine grundsätzliche Anmerkung: das frühe Christentum der ersten 150-200 Jahre hat uns so gut wie keine Bilder hinterlassen. Das Glaubenszeugnis, die Schrift und die Tradition waren genug. Erst später, als auch immer mehr Mitglieder der römischen Oberschicht den neuen Glauben annahmen, wuchs das Bedürfnis, christliche Themen durch Bilder sichtbar zu machen, die dem römischen Bürger verständlich und angemessen erschienen. Dabei gingen die Christen mit Bildern vorsichtig und diskret um, und zwar nicht nur wegen der allenthalben noch nachklingenden Verfolgungssituation, sondern vor allem aus Scheu vor dem Mysterium: so wurden zentrale Glaubensinhalte wie Kreuzigung und Auferstehung erst Jahrhunderte später bildlich dargestellt, davor bevorzugte man Andeutungen und Allegorien.

Das Bild oben zeigt ein bedeutendes Monument altchristlicher Kunst, einen Marmor-Sarkophag, der in Rom um das Jahr 300 n. Chr. entstanden ist: den Jonassarkophag in der ehemaligen Kirche Santa Maria Antiqua am Forum Romanum. Was sehen wir dort dargestellt? Ein nackter Jüngling liegt unter einer Laube (siehe Foto unten) und wird von einem Ungeheuer bedroht? Nun, der schlafende Jüngling ist der alttestamentarische Prophet Jonas, der auf einer Seereise – siehe das Schiff ganz links – während eines Sturms über Bord geworfen und von einem Meeresungeheuer verschlungen wurde. Nach drei Tagen im Bauch des Riesenfisches wurde Jonas schließlich an einem Ufer ausgespien und ruht sich nun von diesem traumatischen Erlebnis aus. Das Meeresungeheuer verabschiedet sich gerade freundlich. Den Christen galt der Prophet Jonas stets als Archetyp Christi, der ebenfalls drei Tage nach seinem Tod auferstanden ist. Das Ostergeschehen ist also in allegorischer Form auf diesem Sarkophag dargestellt.

In der Mitte sieht man ein Ehepaar, nämlich die Grabinhaber: die Frau hat ihre Hände im typischen Gebetsgestus erhoben, ihr daneben sitzender Gatte zeigt sich durch den Rotulus, eine Pergamentrolle, als lesefreudiger, gebildeter Römer. Rechts daneben sieht man Jesus als Guten Hirten mit einem Widder auf den Schultern: ein Motiv, das im Hinblick auf das bekannte Bibelwort aus der heidnischen Bilderwelt übernommen wurde. Auf der rechten Seite des Sarkophags sieht man schließlich die Taufe Jesu im Jordan durch Johannes den Täufer. Die Taube des Heiligen Geistes akkreditiert den kindlich klein dargestellten Jesus als Gottes Sohn. Bei dieser Szene haben die Bildhauer das geläufige Thema des Prometheus adaptiert, der aus Ton kleine Menschen formt – deswegen die kindliche Gestalt Jesu (siehe Foto unten)!

Unser Sarkophag gilt als eines der frühesten Beispiele altchristlicher Kunst, viele weitere sollten in den Jahrzehnten danach folgen, als die Kirche unter Kaiser Konstantin und seinen Nachfolgern Toleranz und zunehmende Privilegien genoß.
 
Ich wünsche Euch  – den derzeitigen widrigen Umständen zum Trotz – ein Frohes Osterfest!
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